21. November 2022: Die Verhandlung mit der Militärverwaltung findet zwar statt, aber… wird bald ergebnislos abgebrochen, weil der “Custodian of Absentees “, der Rechtsvertreter der abwesenden Einspracheberechtigten (Nachbarn, Siedler, Staat…) einfach nicht erscheint. Das reicht aus, um den mehrmals verschobenen Termin platzen zu lassen! Es ist offensichtlich: die Besatzungsbehörden wollen nicht. Sie verweigern der Familie Nassar das Recht auf ihr Besitztum und missachten kaltschnäutzig die Anweisung des Obersten Gerichts Israels, den Weinberg zu legalisieren. Lesen Sie hier das Statement des Anwalts, Sani Khouri der Familie vom 21. 11. 22.
Heute fand vor dem Militärausschuss für die Registrierung von Grundstücken eine Sitzung zur Anhörung von Beweisen in der Sache der Registrierung des Landes der Familie Nassar statt.
Vor hundert Jahren kaufte die Familie Nassar 400 Dunam Land und baute ihr Haus an der Stelle, an der heute das Zelt der Nationen steht. Die Familie ist im Besitz der ursprünglichen Kaufdokumente und Landkarten, die während der britischen Mandatszeit in den frühen 1920er Jahren registriert wurden und dem Ausschuss für die Registrierung von Grundstücken vorgelegt wurden.
Die heutige Sitzung war für die Anhörung von Beweisen anberaumt und sollte die letzte Sitzung sein, da der Ausschuss erklärte, dass alle Beweise vorgelegt werden sollten und alle Zeugen heute ihre Chance bekommen würden, auszusagen. Verschiedene konsularische Delegationen beantragten die Teilnahme an der Sitzung, um die Unterstützung der Familie Nassar zu demonstrieren und zu versuchen, den Prozess der Registrierung seines Landes zu beobachten.
Obwohl ich mich an den Leiter des Ausschusses wandte und um die Erlaubnis bat, die Delegationen zuzulassen, teilte dieser mir mit, dass die Sitzung geheim sei und nach dem Gesetz hinter verschlossenen Türen abgehalten werden müsse. Meine Bitte, die Delegationen zuzulassen, wurde daher abgelehnt. Offenbar ist der Ausschuss nicht daran interessiert, dass Dritte die Beratungen beobachten, sondern will den gesamten Prozess geheim halten. Natürlich gibt es keine logische Erklärung für die Geheimhaltung eines so technischen Verfahrens wie der Registrierung von Grundstücken!
Im Jahr 1991 erklärten die israelischen Behörden im Rahmen des Versuchs, die Siedlung Neve Daniel zu erweitern, den größten Teil der 400 Dunas Land der Familie Nassar zu “Staatsland”. Nur das Haus der Familie Nassar und die angrenzenden Gärten wurden von dieser Erklärung ausgenommen.
Die Deklaration von Land als “Staatsland” ist der wichtigste rechtliche Mechanismus, mit dem den Palästinensern Land weggenommen und den Siedlungen zugewiesen wird. Seitdem hat die Familie Nassar versucht, ihr Land nach dem neuen System neu registrieren zu lassen, um es zu schützen (sie hat sich auch mehrfach an den Obersten Gerichtshof gewandt, der die Familie aufgefordert hat, das Land nach dem neuen System neu zu registrieren).
In der heutigen Sitzung sollten Einwände gegen die Eintragung vor allem vom “Custodian of Absentee Properties”, der für “State Land” zuständig ist, und kleinere Einwände von Nachbarn, die sich auf sehr geringfügige Punkte (bestimmte Durchfahrtsrechte) bezogen, verhandelt werden.
Leider hat sich der Verwalter der abwesenden Grundstücke nicht die Mühe gemacht, an der Sitzung teilzunehmen, und trotz des Antrags, seinen Einspruch zurückzuweisen, hat der Ausschuss die Sitzung auf den 16.1.2023 verschoben und darum gebeten, dem Leiter des Verwalters der abwesenden Grundstücke eine Mitteilung über das Verfahren zukommen zu lassen.
Damit ist klar, dass der Ausschuss nicht daran interessiert ist, ein ordnungsgemäßes Verfahren einzuhalten und den Einspruch zurückzuweisen, sondern vielmehr Interesse hat, das Verfahren immer wieder zu verzögern. Leider ist es offensichtlich, dass die Behörden trotz der Tatsache, dass die Familie Nassar die Neueintragung ihres Grundstücks nach dem neuen System beantragt hat, dieses Verfahren ohne jegliche Erklärung weiter hinauszögern. Solange das Land nicht umregistriert ist, bleibt die frühere Deklaration dieses privaten Familienlandes als “Staatsland” bestehen, was der Grund für die Verzögerung durch die Behörden zu sein scheint. Dies verhindert einen endgültigen Schutz für das Land und hindert die Familie Nassar daran, ihr Land frei zu bewirtschaften.
21. November 2022
Sani Khoury, Rechtsanwalt
24. Oktober 2022: Verhandlungstermin wiederum abgesagt! Diesmal handle es sich um eine Termin-kollision, gab die Militärverwaltung bekannt, als sie den von ihr vor 6 Monaten selber bestimmten Termin wieder absagte und auf den 21. November verschob. Nicht einmal Mühe gibt die Behörde sich bei der Vertuschung ihrer Zermürbungsmethoden. Doch Daoud Nassar lässt auch diesmal wieder verlauten: “Wir geben nicht auf, lasst uns weitermachen!” Und viele Menschen in der ganzen Welt stehen solidarisch hinter der Familie Nassar und ihrem gewaltfreien Kampf für das Zelt der Völker. Zur Zeit helfen 17 Freiwillige aus den USA, Europa und Australien bei der Olivenernte.
15. Oktober 2022: Treffen von Diplomat:innen auf dem Weinberg. Es sind dies die Vertreter:innen von Grossbritannien, Frankreich, der EU, Deutschlands, Italiens, Norwegens und der Schweiz in Palästina. Sie bekunden damit ihre Solidarität mit dem Projekt.
Im April: Termin zur Gerichtsverhandlung wieder verschoben! Daoud Nassar hat es schon vor Wochen prophezeit, trotzdem haben wir alle gehofft, diesmal werde der angesagte Termin vom 2. Mai eingehalten. Doch nur einen Tag vorher, am 1. Mai, kam die Meldung von der israelischen Militärverwaltung, die Verhandlung werde vertagt auf unbestimmte Zeit. Grund: Ramadan! Die Frustration ist gross, doch Daoud schreibt dazu: In der Zwischenzeit empfangen wir weiterhin internationale Besucher und Freiwillige, bewirtschaften das Land, pflanzen neue Bäume der Hoffnung und laden weitere Menschen ein, uns auf diesem langen Weg für Gerechtigkeit zu begleiten. So sei es!
Lage Ende Februar: Daoud arbeitet wieder auf dem Weinberg; sein Bruder Daher dagegen ist noch schwer beeinträchtigt von den Folgen des Angriffs aufs Leben der beiden. Bei der Arbeit wird Daoud oft von Aktivist*innen von EAPPI begleitet. Das ist das «Ecumenical Accompaniment Program for Palestine and Israel», das in konfliktträchtigen Situationen exponierte Personen begleitet.
Samstag, 19. Februar: grosse Pressekonferenz auf dem Weinberg. Eingeladen hatte der Minister für kirchliche Angelegenheiten der Palästinensischen Autonomiebehörde. Der sehr kurzfristigen Einladung folgte viel Prominenz – der Governor von Bethlehem, Bischöfe, Pfarrer und auch die Vertreter*innen von Frankreich, England und Deutschland. Der Bürgermeister von Nahalin hielt eine schöne Rede und betonte, wie wichtig der Weinberg für sein Dorf sei. Danach folgten einige positive Artikel in der lokalen Presse.
Es scheint, dass der Überfall auf Daher und Daoud viel Druck auf die Behörden ausgelöst hat. Sie müssen nun etwas tun. Vor allem müssen die Schuldigen der Angriffe, Zerstörungen und Diebstähle endlich gefasst und vor Gericht gestellt werden.
Am Freitag, 28. Januar 2022, erreichten die Angriffe auf den Weinberg eine neue Eskalationsstufe. Nachdem bereits schon einmal Toni Nassar samt Mutter und Familie im Auto tätlich bedroht wurden, griff diesmal eine Bande von ca. 15 vermummten Männern mit Knüppeln und Messern die beiden Brüder bei der Arbeit an und verprügelte und verletzte sie schwer. “Sie wollten uns töten…”, vermutet Daoud. Die Täter zogen ab, als die niederländische Freiwillige auftauchte, die zum Essen rufen wollte. Im Spital stellte sich heraus, dass die beiden schwere Schädel-Hirntraumata erlitten hatten. Immerhin haben die Gewalttaten nun die Politik auf den Plan gerufen. Präsident Abbas persönlich hat interveniert und die örtlichen Justizbehörden ermahnt. Und auch die Botschafter der Schweiz und der EU in Palästina zeigten sich schockiert und betroffen.
Facebookommentar von Bshara, Sohn von Daher zum versuchten Mord an seinem Vater
Am 16. Januar 2022 fand endlich eine lang erwartete, zweimal verschobene Verhandlung mit der Militärverwaltung über die vom obersten Gericht verfügte Registrierung des Weinbergs statt. Sie verlief ergebnislos, doch die nächste Sitzung am 2. Mai soll zu einem Entscheid führen. Die Einsprecher, zu denen auch die besagte Familie aus Nahalin gehört, müssen bis dann ihre Ansprüche mit Dokumenten belegen. Man kann gespannt sein.
Eine Familie aus Nahalin erhebt Anspruch auf Teile des Weinbergs. Sie behauptet, Beweise für ihre Besitzansprüche vorlegen zu können, hat einen Anwalt engagiert. Sie hat auch bereits begonnen, Land einzuzäunen und zu bearbeiten. Ob sie auch für die Angriffe und Verwüstungen verantwortlich ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da die Täter oft nicht gesehen werden und in der Regel vermummt kommen.
Auch in der zweiten Jahreshälfte 2021 wurden immer wieder Zerstörungen verübt. Und auch im neuen Jahr gehen die Vandalenakte weiter. Erst kürzlich, im Januar, kamen Daoud und Daher auf dem Weinberg an und stiessen auf 50 umgehauene Olivenbäume. Es ist zum Verzweifeln. Daoud zeigt alle Übergriffe sofort auf der Polizei in Bethlehem an; doch die Ermittlungen gehen schleppend voran. Irgendwo scheint Sand im Getriebe zu sein…
Über die vergangenen Monate haben immer wieder Übergriffe von Leuten aus Nahalin aufs Land stattgefunden. Bereits sind Einrichtungen im Wert von Tausenden von Dollars zerstört worden. Weil wegen Corona keine internationalen Freiwilligen mehr auf dem Weinberg arbeiten und übernachten, ist das Gelände oft unbewacht. Das nützen die Eindringlinge aus. Die Familie Nassar ist deswegen in grosser Sorge.
Am 9. Juni 2021 drangen bewaffnete Soldaten und vermummte Männer ein und gingen daran, mit einem Bulldozer und Kettensägen den verschonten Rest der Olivenbäume des Weinbergs und auch im Hain eines Nachbarn zu roden. Daoud Nassar trat ihnen entgegen, verbot ihnen den Zutritt; doch sie setzten ihr Zerstörungswerk fort. Der Anwalt der Familie Nassar wandte sich sofort ans Höchste Gericht Israels, um eine Verfügung gegen die Täter zu erwirken. Die Lage ist sehr ernst. Es könnte sein, dass bald im Tal unterhalb des Weinbergs die ersten Container stehen – der Anfang einer neuen Siedlung!
Am 21. Mai 2021 wurde ein grosser Teil des Weinbergs in Brand gesetzt. Zahlreiche Olivenbäume, Fruchtbäume, Weinstöcke fielen den Flammen zum Opfer, die durch Wind aus dem Tal rasch den Berg hinauf getrieben wurden. Glücklicherweise wehte oben auf der Höhe ein Wind in der Gegenrichtung; und so blieben die Wohneinrichtungen verschont. Die bescheidenen Kräfte der Menschen und die kostbaren Wasservorräte auf dem Berg konnten gegen das Feuer jedoch nichts ausrichten. Gross war dafür die Solidarität der palästinensischen Nachbar*innen. Von allen Seiten kamen sie mit Kesseln und Schläuchen. Selbst die israelische Feuerwehr erschien. Sie griff aber nicht ein, wollte offenbar nur ein Übergreifen des Feuers auf die benachbarte israelische Siedlung verhindern. Offensichtlich war es ein gelegtes Feuer; doch die Täterschaft ist bis jetzt unbekannt.
Mehr denn je ist der Druck aus dem Ausland notwendig. Unser Verein hat sich zusammen mit dem Synodalrat der Reformierten Kirche Bern, der Einwohner-gemeinde Wohlen BE und der Kirchgemeinde Wohlen BE mit einer Petition an Präsident Mahmoud Abbas gewandt und ihn gebeten, sich um eine Lösung des Konflikts zu kümmern. Am Donnerstag, 2. Mai, erhielt der Weinberg hohen Besuch. Der offizielle Vertreter der Schweiz für Palästina, Herr Viktor Vavricka, wollte sich auf unsere Veranlassung hin ein Bild von «Tent of Nations» machen und fuhr mit einer Delegation von sechs Leuten an. Gemäss dem Bericht von Daoud Nassar fand ein sehr guter und ermutigender Austausch statt. Auch die Vertretungen anderer EU-Länder setzen sich für den Weinberg und dessen Registrierung ein.
Im Juli 2020 genehmigte die israelische Militärverwaltung endlich die Registrierung des Weinbergs, die vom israelischen Supreme Court schon längst gefordert worden war. Bedingung war, dass alle Nachbarn mit ihrer Unterschrift den Grenzverlauf bestätigten. Gleich darauf organisierten Nassars die Begehung der Grenze mit allen Nachbarn. Diese endete einvernehmlich mit sämtlichen Unterschriften. Doch am nächsten Tag liess der Bürgermeister von Nahalin verlauten, dass er gegen die Registrierung des Weinbergs sei. Und die Militärverwaltung liess nichts mehr von sich hören, bis der Anwalt der Familie Nassar beim Supreme Court im September 2021 Beschwerde einreichte. Das hat etwas Wirkung gezeigt: drei Tage danach kündigte die Militär-behörde eine Sitzung für Dezember 2021 an.
Wegen Corona haben unsererseits mehr als zwei Jahre lang keine Besuche auf dem Weinberg stattgefunden. Die letzte Besucher*innen, von denen wir wissen, waren die Teilnehmer*innen der Konzerttournée «Music for Peace» von Wohlen BE und Frick AG am 2. Januar 2020 bei sehr kaltem Wetter und scharfem Wind. Doch die warme Gastfreundschaft der Nassars hat die Sänger*innen dafür längstens entschädigt; und der Vortrag von Daoud in der Höhle hat alle tief beeindruckt. (S. Fotogalerie der Konzerttournée)
Die Besuchswoche 2021 konnte wieder nicht stattfinden! Stattdessen hat Daoud an der Jahresversammlung am 25. September 2021 per Video zu uns geredet. Solche Video-Treffen sind auch bei andern Gelegenheiten möglich. Wer für seine Schul- oder Konfirmand*innenklasse, für eine Veranstaltung der Erwachsenenbildung oder einen Gottesdienst mit Daoud Nassar ein solches Gespräch organisieren möchte, kann sich mit uns oder direkt mit Daoud in Verbindung setzen.